150 Jahre Schleizer DUDEN

Duden-Statue vor dem Rutheneum in Schleiz

„Auf dem Gebiete der deutschen Rechtschreibung herrscht augenblicklich ein unerquicklicher und namentlich für die zum Lehren Berufenen unbefriedigender Übergangszustand. Seitdem man vom Baume der Erkenntniß gegessen hat und auf die Mängel der überlieferten Rechtschreibung aufmerksam geworden ist, hat die harmlose Unbefangenheit im Gebrauche des Alten aufgehört, und doch gibt es noch kein Neues, das sich an dessen Stelle hätte setzen können.“ Diese Worte stellte Konrad Duden 1872 seiner „Deutschen Rechtschreibung“ voran, um den aus seiner Sicht desolaten Zustand der Orthographie zu beklagen. Denn kaum etwas in diesem Bereich war uneinheitlicher und verwirrender, und das Geschriebene war vielfach der Willkür der Schreibenden anheimgegeben. Die Schreibweisen vieler Wörter waren oft unzweckmäßig, kompliziert und unlogisch.

Unter der Schirmherrschaft des Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow fand am 3. September 2022 in der Schleizer Wisentahalle eine Festveranstaltung statt, um des 150. Jahrestages des sogenannten Schleizer DUDENs zu gedenken und dieses Werk Konrad Dudens, mit dem er den Grundstein für eine einheitliche Rechtschreibung legte, mit den 150 anwesenden Gästen zu feiern. Gemeinsam mit der Arbeitsgruppe dudenker des Geschichts- und Heimatvereins zu Schleiz e. V. hat der VDS das Jubiläumsjahr mit Festreden, Musik und Tanz in würdiger und gleichermaßen unterhaltsamer Weise beschlossen. Dr. Konrad Duden war 1869 nach Schleiz als Gymnasialdirektor berufen worden, wo er damit begann, Regeln für das spätere Wörterbuch zu erarbeiten.

Durch das Programm führten Dr. Manfred Eckstein und Roland Wetzel von den dudenkern als Dr. Konrad Duden und dessen Pedell. Der Ministerpräsident, der Landrat des Saale-Orla-Kreises sowie ein Vertreter der Stadt Schleiz überbrachten Grußworte. Der Chor „VocHallensis“ umrahmte den Festakt musikalisch. Mit großer Spannung wurden die beiden folgenden Redner von der DUDEN-Redaktion und vom VDS erwartet; von beiden werden sehr unterschiedliche Standpunkte vertreten. Dr. Kathrin Kunkel-Razum, Leiterin der DUDEN-Redaktion, betonte, dass „die Dudenredaktion das Erbe von Duden“ fortsetze, und zwar „seit über einem Jahrhundert in seinem Sinne.“ Die Gendersprech- und -schreibweisen seien gerechtfertigt, und die verbreitete Ablehnung innerhalb der Bevölkerung sehe sie darin begründet, dass „Veränderungen den Menschen Angst mache“. VDS-Vorstandsmitglied Jörg Bönisch erinnerte in seiner Rede an zwei wichtige Ereignisse für die Entwicklung der deutschen Sprachgemeinschaft: Die Luther-Übersetzung der Bibel vor 500 Jahren und die Rechtschreibreform von 1996. Mit dieser Reform sei das sogenannte Dudenmonopol gebrochen worden; denn maßgebend seien jetzt die amtlichen Rechtschreibregeln des Rates für deutsche Rechtschreibung. 2009 sei der DUDEN vom Cornelsen-Verlag übernommen und damit kommerziellen wie spracherzieherischen Interessen unterworfen worden. Der DUDEN sei sogar wegen der Aufnahme zahlreicher Anglizismen zum Sprachpanscher des Jahres 2013 gewählt worden. Bönisch schloss seinen Beitrag mit der Feststellung, dass das Thema Gendern allgemein abgelehnt und in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert werde.

Dr. Jessica Ammer, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Germanistik der Universität in Bonn, hielt die Festrede „DUDEN im Wandel der Zeit“. Duden studierte ab 1846 an eben jener Uni vier Semester Philologie, Geschichte, deutsche Sprache und Literatur. Er musste, vermutlich aus finanziellen Gründen, sein Studium abbrechen und wurde Hauslehrer in Frankfurt am Main. Es folgten Studienreisen und ein nachgeholtes Examen. Das darüber erhaltene Protokoll klingt nicht sehr schmeichelhaft; so bescheinigte man ihm „noch manche Lücke in der deutschen Literaturgeschichte und Grammatik“. Ungeachtet dessen sei er später zum Direktor des Gymnasiums in Schleiz berufen worden, wo der „Schleizer DUDEN“ als Grundlage für den „Urduden“ von 1880 entstand.

Das von der Ballettschule „La Ballerina“ in Göttengrün eigens choreographierte „Duden-Ballett“, das von den dudenkern angeregt worden war, bildete den kulturellen Höhepunkt des Programms. Kinder und Jugendliche stellten unter anderem die einzelnen Buchstaben des Alphabets tänzerisch dar. Dieses familienfreundliche und mit viel Beifall belohnte Stück zeigte deutlich, dass auch solche Themen Kinder und Erwachsene ansprechen und begeistern können.

Duden-Museum im Rutheneum

Zum Abschluss der Nachmittagsveranstaltung überreichten die dudenker an die Ehrengäste einen Nachdruck des „Schleizer DUDENs“ von 1872. Ferner öffneten sie für Interessierte das Duden-Museum im Rutheneum, der ehemaligen Wirkungsstätte Dudens, wo neben anderen Zeugnissen seines Wirkens in Schleiz mit besonderem Stolz die Dauerleihgabe eines originalen „Schleizer DUDENs“ gezeigt wird.

Ein Erlebnisvortrag von „Korporal Stange“ (Bert Lochmann) nahm die Besucher abends mit auf einen humorvollen Ausflug in die Geschichte des Papiers und der Schrift und ließ die Festveranstaltung würdig ausklingen.

Text: Dr. Jessica Ammer | Fotos: Jörg Bönisch (13), Karin Wagner (1)