Am 8. April war wieder REDEZEIT in Wittenberg

Von Altstoffsammlung bis Zellophanbeutel – Wo sind nur die Wörter hin? – DDR-Wortschatz gestern und heute

Am 8. April 2019 lud der Verein WortWerkWittenberg (WWW) zur dritten REDEZEIT in das Lectorium der Stiftung Leucorea in die Lutherstadt ein. Steffen Leuschner, „gelernter DDR-Bürger“, heute Professor für Grafikdesign und visuelle Kommunikation an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft Berlin, vermittelte in einem Impulsreferat Hintergründe und gab Denkanstöße zum Thema „Wo sind nur die Wörter hin? DDR-Wortschatz heute“. Im 30-sten Jahr des Mauerfalls stellte Leuschner einmal mehr die Frage, was wir verloren oder glauben verloren zu haben. 

„Das dem Nationalstatus vorangestellte Präfix ‚Ost‘ schafft im Kontrast zum Bezeichnungstyp ‚West‘ die konkrete Zuordnung zu einer Sprachgemeinschaft. Diese ist nicht nur geografisch differenzierbar, sondern zwei gegensätzliche Ideologien und Machtblöcke prägten einen ganz speziellen Sprachgebrauch“, erläuterte Leuschner. Heutzutage fänden sich allerdings nur noch wenige Wortschöpfungen aus dem DDR-Alltag. Dennoch würde man die Herkunft der Sprecher noch immer am Gebrauch mancher Wörter, beispielsweise ‚Brotbüchse‘‚ ‚Plastebeutel‘ oder ‚Würzfleisch‘, erkennen. Andererseits verloren spezifische Wortbildungen ihre Bedeutung, so bedurfte es nach dem Wegfall des ‚antifaschistischen Schutzwalls‘ keiner ‚Auslandsreisekader‘ mehr. Andere wurden in ihrer Bedeutung überschrieben; im ‚Betrieb‘, der zur ‚Firma‘ wurde, gab es einen ‚Kaderleiter‘, der sich heute ‚Personalleiter‘ nennt, aus der ‚Brigade‘ oder dem ‚Kollektiv‘ wurde das ‚Team‘ und aus der ‚Beratung‘ wurde das ‚Meeting‘. 

Im Oktober 2018 fand die erste REDEZEIT statt. Prof. Hans-Joachim Solms, 2. Vorsitzender des WWW und Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des VDS, beleuchtete die Zusammenhänge zwischen „Sprache und Nation“. Im Januar dieses Jahres regte der Indogermanist Prof. Gerhard Meiser, Vorsitzender des WWW und ebenfalls Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des VDS, zum Nachdenken über „political correctness“ an. Am 8. Juli stellt Dr. Ulrich Wenner in der nächsten REDEZEIT die „Mundartlandschaft Wittenberg“ in den Mittelpunkt der Diskussion. 

In Zusammenarbeit mit der Stiftung Leucorea und dem Institut für deutsche Sprache und Kultur e. V. an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg lädt der Verein WortWerkWittenberg jeweils am zweiten Montag eines Quartals zum Gedankenaustausch über unsere alltägliche Sprache ein. 

Text und Fotos: Jörg Bönisch